Artikel von Harry Waßmann erschienenauf der Homepage der evangelischen Landeskirche in Württemberg zum Gedenken an Richard Gölz 125. Geburtstag.

Richard Gölz  *05.02.1887, 125. Geburtstag

Vom evangelischen Pfarrer zum orthodoxen Priester

Richard Gölz, 1887 in Stuttgart geboren, trat 1910 in den Evang. Pfarrdienst unter König Wilhelm II. ein. Er starb als orthodoxer Priester 1975 in Milwaukee/USA.

Richard Gölz an der Orgel der Tübinger Stiftskirche [Foto: privat]

Nach seiner Zeit als Gemeindepfarrer (1910-1920) förderte er als Kirchenmusiker in Tübingen (1920-1935) nach Kräften das Singen im Gottesdienst, insbesondere den reformatorischen Kirchengesang, das Schwarzbrot der evangelischen Kirchenlieder. Deutschlandweit bekannt geworden ist sein 1934 erschienenes Chorgesangbuch, "Der Gölz". Doch ausgerechnet Richard Gölz, der dem reformatorischen Kirchengesang wieder neu Gewicht gegeben hatte, wandte sich zu Beginn der 30er Jahre der Gregorianik zu. Herb a capella singen, so könnte man Gölz Ansinnen für eine Beheimatung der klösterlichen Gesänge im evangelischen Gottesdienst umschreiben. Richard Gölz führte Mette, Vesper und Complet in der Tübinger Stiftskirche ein (1931-1935) und begründete 1933 die "Kirchliche Arbeit Alpirsbach".

Widerstand gegen den Nationalsozialismus

Weil er die kirchliche Anpassung an nationalistische Gesinnungen verabscheute, hat er schließlich sein Amt als Kirchenmusikdirektor aufgegeben und ist Dorfpfarrer in Wankheim, einem Ort in der Nähe von Tübingen (1935-1945) geworden. Konsequent verpflichtete sich Richard Gölz, den Beschlüssen der "Theologischen Sozietät Württemberg", einer Strömung der Bekennenden Kirche, die die Ergebnisse der Synoden von Barmen und Dahlem (1934) ernsthaft umsetzen wollte. Er verweigerte den Führereid (1938), wehrte sich vehement gegen die Amtsenthebung seines Kollegen Paul Schempp (1939) und wurde von der Kirchenbehörde mit Gehaltssperre bestraft (1943). Das Ehepaar Gölz beteiligte sich auch am Wanderasyl illegal Untergetauchter. Als eine Frau sich als Jüdin offenbarte, reagierte Gölz so: "Wir müssen am nächsten Sonntag ein Tedeum singen, weil wir die Ehre haben, eine Tochter aus dem Hause Israels zu beherbergen." Gölz wurde verraten und während eines Gottesdienstes am 23.12.1944 verhaftet. Im Gestapo-Verhör bekannte er sich ausdrücklich dazu, Juden versteckt zu haben. Er überlebte die Haft im KZ Welzheim, erfuhr nach der Befreiung – noch auf dem Heimweg – vom Tod seines Sohnes Gottfried.

Kirchenfernsehenalle Beiträge

Gölz in Wankheim: Widerstand in der Nazizeit

Gölz in Wankheim: Widerstand in der Nazizeit

Dokumentarfilm zum 900-jährigen Geburtstag des Dorfes Wankheim

Beitrag ansehen

Neuanfang engagiert mitgestalten

Dennoch wollte Richard Gölz den Neuanfang der Evangelischen Kirche engagiert mitgestalten. Seine Überzeugung, den evangelischen Kirchengesang in Gestalt der Gregorianik zu erneuern, scheiterte jedoch. Im Kloster Bebenhausen wollte er ein Seminar der Bekennenden Kirche für Prediger und Musiker errichten. Hier erprobte er im Sommer 1945 ein evangelisches Klosterleben. Doch Freunde und Kirchenobere konnten und wollten ihm nicht folgen. Sein Ansinnen wurde abgelehnt. Das Ehepaar Gölz konvertierte bald darauf zur Orthodoxie (1949), Richard Gölz empfing die Diakons- und Priesterweihe (1950), zog nach Hamburg (1951) und wanderte von dort in die USA aus (1958). Gölz war hier zuerst Priester in der russisch-orthodoxen Diözese von Chicago/Detroit, ab 1965 bis zu seinem Tode 1975 serbisch-othodoxer Priester im Mittleren Westen in Milwaukee. "Wenn wir die Freiheit hätten, evangelische Heilige zu nominieren, käme Gölz nicht ernstlich dafür in Frage?" So fragte sein Freund und Schüler Walter Kiefner noch zu Gölz' Lebzeiten (1971). Monarchie, Weimarer Republik, Nazidiktatur, Bonner Rechtsstaat, USA– Richard Gölz war ein Theologe und Kirchenmusiker, der nicht nur schöne Töne aneinanderreihen wollte, sondern sich bei seiner Suche nach einer angemessenen Liturgie den politischen Umbrüchen des 20. Jahrhunderts existentiell ausgesetzt hat. Seine Suche hat Gölz über Reformation und Gregorianik zur Orthodoxie, zur Alten Kirche geführt. Richard Gölz Weg kann jene Christen im 21. Jahrhundert inspirieren, die Kirche nicht zu einer erfolgreichen Religionsfirma weiter entwickeln wollen.

Harry Waßmann

Weiterführende Literatur:

Joachim Conrad, Richard Gölz (1887-1975), Der Gottesdienst im Spiegel seines Lebens, Göttingen, 1995

Kurt Oesterle, Richard Gölz, ein Wankheimer Licht im deutschen Dunkel, Tübingen 2011

Weiterführende Links:

https://www.bautz.de/bbkl/g/goelz_r.shtml
(Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band XVI (1999), Spalten 575-598 Autoren: Thomas Camphausen, Matthias Wolfes)

Downloads

Richard Gölz, Bild in Druckqualität [JPG, 386 KB]
Quelle: Harry Waßmann

Richard Gölz, Text [RTF, 10 KB]

 

 


Weiterer Link zu Richard Gölz:

www.zeit-zeugnisse.de/Home/index_artikel,-Ein-Schwieriger-der-einfach-half-_arid,162206.html

(Zeit-Zeugnisse, Autorin: Ulrike Pfeil)

 

_______________________________

Link zur Kirchengemeinde Wankheim:

www.wankheim-evangelisch.de

© 2011 Alle Rechte vorbehalten.

Erstellen Sie Ihre Website gratis!Webnode